Die Tafel ist wichtiger denn je

Die Coburger Tafel feiert heuer ihr zehnjähriges Jubiläum. Trotz der guten wirtschaftlichen Lage im Land hat die Einrichtung viele Kunden.

Mit einem Lächeln auf den Lippen verteilt Karola Strobel Radieschen und anderes Gemüse. Foto: Henning Rosenbusch

Coburg – Am Mittwochmorgen stehen rund 40 Menschen vor dem Eingang der Coburger Tafel in der Rodacher Straße. Es ist ein gemischter Haufen: ein paar Senioren, Menschen mit Migrationshintergrund, Familienväter, Mütter und Alleinstehende. Sie sind Mitglieder der orangen Gruppe, haben eine Nummer gezogen und warten entspannt darauf, dass sie hinein dürfen. Sowohl draußen als auch im Vorraum ist eine muntere Plauderei im Gange. Die Leute kennen sich – und freuen sich, Neuigkeiten auszutauschen.

„Das mit den verschiedenen Farben haben wir eingeführt, damit es keine Rangeleien an der Tür gibt. Es ist ein rotierendes System, sodass jede Gruppe mal die erste, mal die letzte ist“, erklärt Jürgen Kroos, Pressesprecher der Coburger Tafel. Die Einrichtung feiert heuer ihr zehnjähriges Jubiläum. Obwohl im Raum Coburg fast schon Vollbeschäftigung herrscht, ist die Einrichtung wichtiger denn je. Das hat laut Kroos zum einen mit den vielen Asylbewerbern zu tun, die in die Vestestadt gekommen sind. Zum anderen suchen immer mehr Rentner die Räume in der Rodacher Straße auf.

„Gerade die Senioren schämen sich oft bei ihrem ersten Besuch bei uns“, sagt Kroos. Deswegen nimmt sich der Verein ihrer besonders an. Ein Mitglied begleitet die Rentner zum Beispiel bei ihren ersten Einkäufen. Es sei den Ehrenamtlichen der Coburger Tafel aber ohnehin wichtig, jeden einzelnen Kunden mit Respekt zu behandeln. Deswegen sind die Verkaufsräume auch so ähnlich wie ein Supermarkt gestaltet.

Zuerst gelangen die Kunden in die Abteilung für Brot und Süßwaren, dann geht es weiter zum Gemüse und am Schluss werden Fleisch und Milch frisch aus der Kühlung verteilt. An diesem Mittwoch im November gibt es noch eine Besonderheit: Adventskalender für die Kinder. Sie sind eine Spende der Sparda-Bank. Die übrigen Waren stammen aus Supermärkten. Sie sind noch in Ordnung, können aber nicht mehr verkauft werden. Zum Beispiel, weil das Mindesthaltbarkeitsdatum fast erreicht ist.

An jeder Station haben die Ehrenamtlichen der Tafel ein Lächeln für ihre Kunden parat. Karola Strobel ist eine von ihnen. Freundlich preist sie Radieschen und anderes Gemüse an – und die Kunden greifen gerne zu.

Die meisten von ihnen haben große Tüten mitgebracht, die von Station zu Station voller werden. 2,50 Euro müssen sie dafür an einem Stand am Eingang bezahlen – unabhängig davon, wie groß die Familie ist. Wie viele Leute zu versorgen sind, steht auf einem kleinen Schild, das die Besucher am Revers tragen. So wissen die Ehrenamtlichen gleich, wie viele Kinder und Erwachsene in einem Haushalt leben – und verteilen die Waren entsprechend. 1,5 Tonnen sind es jeden Mittwoch. Kroos schätzt, dass die Tafel damit 500 bis 700 Personen unterstützt.

Die Dinge sollen den Einkauf im Supermarkt nicht ersetzen, sondern eine Ergänzung sein. „So haben unsere Kunden die Möglichkeit, Geld zur Seite zu legen. Zum Beispiel für einen Kinobesuch oder eine neue Hose“, erklärt der Pressesprecher.

Mit dem Verteilen ist die Arbeit noch nicht getan. Die Organisation des Betriebs erfordert viel Engagement von den rund 40 Ehrenamtlichen. So fahren sie zum Beispiel mit einem Kühllaster pro Woche 20 Supermärkte ab. Anschließend muss die Ware noch sortiert werden. „Jedes Stück, das in der Auslage liegt, hatte jemand von den Ehrenamtlichen in der Hand“, verdeutlicht Kroos. Es sei wichtig zu schauen, ob Produkte mit schadhaften Stellen oder Schimmel in den Kisten sind. Ist das so, werden sie weggeworfen. Rund eine Tonne Lebensmittel muss die Tafel pro Woche laut Kroos aussortieren. Aber auch hier ist dem Verein Nachhaltigkeit wichtig. Die Abfälle werden gesondert gesammelt und zu einem Gnadenhof, auf einige Bauernhöfe und zu einer Biogasanlage gebracht.

Kroos erinnert sich an zehn bewegte Jahre bei der Tafel zurück. So haben die Ehrenamtlichen zum Beispiel einen Umzug gemeistert. Von der Neustadter Straße in die Räume der ehemaligen Kohlenhandlung Puff in der Rodacher Straße. Die musste der Verein erst für die Arbeit mit Lebensmitteln herrichten. Unter anderem wurden ein Kühlhaus eingerichtet und eine Anlage zur Reinigung von Lebensmittelboxen angeschafft. Diesem neuen Domizil verdankt die Coburger Tafel eine Besonderheit: „Wir haben einen Vorraum, in dem Kunden im Warmen warten können. Bei anderen Einrichtungen stehen die Leute draußen in der Kälte an“, erklärt Kroos.

Wenn er an die Zukunft denkt, hat er den Wunsch, dass mehr Ehrenamtliche den Weg zur Tafel finden. Kroos denkt da vor allem an rüstige Rentner, denn die meisten Arbeiten müssen untertags erledigt werden. „Außerdem wäre es schön, wenn sich mehr Menschen entschließen, den Verein als Mitglied zu unterstützen. Im Augenblick sind es 140, 1400 dürfen das schon werden“, sagt er. Und natürlich freue sich die Tafel immer über Spenden.

Bericht: Katja Diedler

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